Wie unabhängig sind Gutachter? Ergebnisse einer Befragung unter 548 medizinischen und psychologischen Sachverständigen in Bayern 2013

Jordan B, Gresser U (2014)
Der Sachverständige 4/2014 vom 08.04.2014; 41: 71-83
Verlag C.H. Beck München

Fazit der Studie:
Die Wahrscheinlichkeit, über einen Gutachter im Gerichtsverfahren zu einer sachlichen und unabhängigen Faktenbewertung zu kommen, ist weit geringer, als wünschenswert wäre.
Wer selbst den Ausgang von Streitigkeiten mitbestimmen möchte, sollte versuchen, selbst eine Lösung zu erarbeiten, z.B. durch eine Mediation.

Die Zahl der in den letzten Jahren öffentlich gewordenen Justizfehler, für jedermann nachzulesen, wie z.B. im DER SPIEGEL 33/2011 vom 15.08.2011 über den Fall von Horst Arnold, die sich zum Teil zu Justizskandalen auswuchsen, hat das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat erschüttert. Oft wurde weder den Opfern angemessen Gerechtigkeit zuteil, noch wurden die Ursachen der Justizfehler den deutschen Gesetzbüchern entsprechend rechtsstaatlich gewürdigt. In solchem Kontext öffentlich gewordene Fälle sind zum Beispiel die von Gustl Ferdinand Mollath, Ulvi Kulac, Horst Arnold, Jörg Kachelmann oder der des Vaters aus Memmingen, wobei jeder Fall eine ganz eigene Geschichte ist. Es wäre für die Wirksamkeit des Rechtsstaates wichtig, Fehler zuzugeben und Falschbeschuldigungen gemäß § 164 StGB bzw. § 239 StGB  zur Rechenschaft zu ziehen. So wurde beispielsweise im Falle von Horst Arnold die gerichtlich festgestellte Falschbeschuldigerin Heidi K. wegen der „Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft“ verurteilt, nicht aber wegen der Falschbeschuldigung – diese war bei Beginn der Ermittlungen verjährt. Auch im Fall des sieben Jahre lang unschuldig inhaftierten Vaters aus Memmingen wurde die Falschbeschuldigung wegen Verjährung nicht geahndet.

Verjährung ohne Klärung bahnt sich im Fall von Jörg Kachelmann an. Hier wurde wohl noch nicht einmal mit den Ermittlungen wegen des Verdachtes auf Falschbeschuldigung begonnen – die im Raum stehende Falschbeschuldigung wird wohl im Mai 2014 verjähren, die mittelbare Freiheitsberaubung wohl im Juli 2015. Und dies, obwohl das LG Mannheim mit Entscheidung vom 17.10.2013 festgestellt hat, dass die Herrn Kachelmann beschuldigende Frau Claudia D. keinen Unterlassungsanspruch hat, wenn Herr Kachelmann sie öffentlich als „Falschbeschuldigerin“ bezeichnet, da bereits die Strafkammer des LG Mannheim festgestellt habe, dass Frau D. „nachweislich [...] falsche Angaben gemacht“ habe.

Es geschehen Fehler, aber es fehlt offensichtlich an der Analyse und Beseitigung der Fehlerursachen. Man vermisst eine angemessene Fehlerkultur.

Eine zentrale und nicht selten auch mitursächliche Rolle bei den bekannt gewordenen Fehlurteilen des Rechtssystems spielen medizinische und psychologische Gutachten.

„Der Gutachter muß ein unabhängiges Beweismittel sein und bleiben [und] [...] darf von keiner der am Strafprozeß beteiligten Personen abhängig sein oder werden“. Doch gerade bei diesem von Rasch als „das heißeste Problem in der ganzen Gutachtenerstattung“ bezeichneten Prozess der Sachverständigenbeauftragung spielen in der öffentlichen Diskussion immer wieder Hinweise auf mögliche Einflussnahme der Gerichte auf die von ihnen bestellten Gerichtsgutachter eine Rolle.

Um einen Anhaltspunkt dafür zu erhalten, ob es Einflussnahmen auf Gutachter bei von einem Gericht in Auftrag gegebenen Gutachten gibt, und was die Gutachter selbst dazu sagen, wurde eine Befragung unter Gutachtern durchgeführt.

Die Publikation ist eine Vorabpublikation aus der Dissertationsschrift von Benedikt Jordan für das Promotionsverfahren an der Medizinischen Fakultät der Universität München.

Auf folgender Seite finden Sie den Link zum vollständigen Artikel:

http://ursula-gresser.de/publikationen.html#beck-artikel

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